In Leipzig wurde vom 25. bis 30. August 2020 ein Mitmach-Kongress zu Visionen für eine gerechte, ökologische und machbare Zukunft organisiert. Der Kongress Zukunft für Alle hat in mehr als 10 Podien, 250 Workshops und mit 1500 Teilnehmenden damit befasst, wie wir leben wollen, und wie wir dorthin kommen. Die diversen Inhalten waren 14 Themensträngen zugeordnet, darunter z.B. solidarische Ökonomie, ein gerechtes Finanzsystem und Fragen zur partizipativen und ökologischen Unternehmensformen.
Der Kongress wurde vom Konzeptwerk Neue Ökonomie und einem freiwilligen Koordinationskreis organisiert. Laut Nina Treu vom Konzeptwerk Neue Ökonomie zeigen die Finanzkrise, Krise der Gesundheitssystem und Klimakatastrophe deutlich, „warum wir ein neues Wirtschaftssystem brauchen: Die Corona-Pandemie deckt auf, wie ungerecht der gesellschaftliche Reichtum verteilt ist. Die Klimakrise macht deutlich, dass unendliches Wachstum in eine ökologische Katastrophe führt. Positive Vorstellungen einer gerechteren Zukunft sind daher dringend nötig.“
Zu den positiven Beispiele solch zukunftsfähiger Unternehmensformen zählten die Solidarische Landwirtschaft, das Gesundheitszentrum Poliklinik in Leipzig oder das venezolanische Genossenschaftsnetzwerk Cecosesola. Diese Organisationen und Netzwerke sind in spezifische Orte und Gemeinschaften eingebettet und erfüllen die materiellen und sozialen Grundbedürfnisse der Beteiligten, möglichst ohne die planetarische Grenzen zu überschreiten. In ihrer Arbeit streben sie nach partizipativer Teilnahme, gerechter Arbeitsaufteilung, Wertschätzung reproduktiver Arbeit sowie den Wiederaufbau natürlicher Ressourcen
In der aktuellen, noch nicht sehr utopischen Gesellschaft gibt es jedoch einige Herausforderungen auf dem Weg zur Etablierung von gerechten und ökologischen Produktionsweisen. Sie wurden in dem Eröffnungspodium „Aus Krisen von heute die Zukunft entwickeln“ mit Tina Röthing, Tonny Nowshin aus dem Verein Urgewald e.V. und Antje van Broock von BUND diskutiert. Laut Röthing sollte das Finanzierungssystem der ambulanten Pflege geändert werden, da die Ärzt*innen in der Poliklinik ihre Beteiligung an transdisziplinärer Gemeinwesensarbeit zurzeit nicht vergütet bekommen können. Nowshin und van Broock diskutierten wiederum über die Energiewende, konkret gesagt über das Problem der Flächenkonkurrenz zwischen Landwirtschaft und der Erzeugung erneuerbarer Energien. Dank der hohen Gewinnerwartungen in der Energiebranche verdrängen neue Energieanlagen häufig marginalisierte Nutzer*innen, insbesondere Kleinbauern und -bäuerinnen und Landlose von ihren Flächen. Dabei können an sich klimafreundliche Energielösungen neue soziale Probleme verursachen. Deswegen sind eine verstärkte Bürgerbeteiligung und die Reduzierung des Gesamtverbrauchs in allen Bereichen nachhaltiger Produktion und nachhaltigen Konsums so wichtig.
Weitere Referenten beim Kongress waren u.a. die Soziologin Dr. Natasha A. Kelly, Nilüfer Koç vom Kurdistan National Kongress und Uwe Meinhardt von der IG Metall.
Eine Besonderheit des Kongresses war seine basisdemokratische Organisation, wo alle Beteiligten unmittelbar in alle zentralen Entscheidungen einbezogen waren. Der Großteil der Arbeit ist in thematischen Arbeitsgruppen erfolgt, und die Kleingruppen haben sich alle 6-8 Wochen in einem Plenum zusammengetroffen. Aufgrund der Corona Pandemie wurde der Kongress digital organisiert. Darüber hinaus fanden einige dezentrale analoge Veranstaltungen, so wie Kunstperformances und Live Streamings der Podiumsdiskussionen statt.
Solche Formen der dezentralen Selbstorganisation können möglicherweise ein Beispiel für eine gerechte Gestaltung der breiteren Gesellschaft sein. Nilüfer Koç vom Kurdistan National Kongress hat zusammengefasst: „Das kapitalistische System ist in einer tiefen Krise und das ist unsere goldene Chance. Wir müssen als Zivilgesellschaften den Nationalismus überwinden. Die neuen progressiven Bewegungen sind Bewegungen der Vielfalt. Wir müssen uns ohne hierarchische Strukturen zusammenfinden, denn wir brauchen einander.“