Am Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) beschäftigen wir uns seit 2010 mit den Themen Soziale Ökonomie und Soziales Unternehmertum und wollen diese langfristig als Forschungsschwerpunkt entwickeln. Dabei leuchtet das IfL als einziges außeruniversitäres Forschungsinstitut für Geographie in Deutschland das Themenfeld aus räumlichen Gesichtspunkten aus, wobei der Betrachtungsfokus auf ländlich-peripheren Räumen liegt. So besteht nicht zuletzt seitens politischer Akteure die Hoffnung, dass entsprechende Initiativen gerade dort wirksam werden, wo gesellschaftliche Herausforderungen besonders ausgeprägt sind und der Handlungsdruck am dringlichsten ist. Auf der anderen Seite scheinen ländlich-periphere Räume aber auch vielfältige Ansatzpunkte zu bieten, wenn es darum geht, diese als Orte des Experimentierens und Ausprobierens alternativer ökonomischer Ansätze neu zu denken. Folgende Projekte werden gegenwärtig am IfL umgesetzt.


Social Entrepreneurship in Structurally Weak Rural Regions:Analysing Innovative Troubleshooters in Action (RurAction)

Laufzeit: Dezember 2016 – Dezember 2020

Förderung: Marie Skłodowska-Curie-Forschungs- und Ausbildungsnetzwerk (EU – Horizon 2020)

Projektkonsortium: Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung – Erkner (Deutschland; Projektleitung), Leibniz-Institut für Länderkunde – Leipzig (Deutschland), Adam-Mickiewicz-University Poznan (Polen), Roskilde University (Dänemark), University College Cork (Irland), Ballyhoura Development – Kilfinane (Irland), University of The Aegean Mytilini (Griechenland), Otelo eGen – Vorchdorf (Österreich), University Institute of Lisbon (Portugal), Johannes Kepler University Linz (Österreich), ADCMoura (Portugal), Stevia Hellas – Lamia (Griechenland), Social Impact – Potsdam (Deutschland), Technische Universität Berlin (Deutschland), Universität Leipzig (Deutschland)

Im Vergleich zu urbanen Regionen sind ländliche Räume häufig durch geringere wirtschaftliche Produktivität und ein eingeschränkteres Angebot von Gütern und Dienstleistungen gekennzeichnet. Immer mehr junge Frauen und Männer, viele von ihnen mit guter Ausbildung, zieht es deshalb in die Städte. Die Folge: Ländliche Regionen haben es noch schwerer, ihre strukturellen Defizite zu überwinden. Das Projekt RURACTION bringt renommierte Wissenschaftler und erfahrene Praktiker aus Sozialunternehmen mit ihren jeweiligen Fachkenntnissen in Forschungs- und Ausbildungsnetzwerken zusammen. Das IfL ist Teil des Forschungsnetzwerks und hat die Aufgabe, das im Projekt integrierte Trainingsprogramm durchzuführen und seine Qualität zu sichern. Es organisiert zudem das Projekt „Sozialunternehmen als gemeinschaftlicher Prozess“. Vergleichende Fallstudien sollen Aufschluss darüber geben, welche innovativen Lösungen Sozialunternehmen bei Abstiegsprozessen ländlicher Räume in Europa anbieten können.

Mehr Informationen gibt es auf der Webseite des Projektes


Socio-economic and Political Responses to Regional Polarisation in Central and Eastern Europe (RegPol²)

Laufzeit: Januar 2014 – Dezember 2017

Förderung:  Marie Skłodowska-Curie-Forschungs- und Ausbildungsnetzwerk (EU – 7. Forschungsrahmenprogramm)

Projektkonsortium: Leibniz-Institut für Länderkunde – Leipzig (Deutschland; Projektleitung), Geomedia LLC – Tartu (Estland), Social Impact – Potsdam (Deutschland), MEPCO – International Advisory Centre for Municipalities – Prag (Tschechien), Hungarian Academy of Sciences – Centre for Economic and Regional Studies – Budapest (Ungarn), Slovak University of Technology – Bratislava (Slowakei), Universitatea Babeș-Bolyai, Facultatea de Geografie – Cluj-Napoca (Rumänien), University of Tartu – Department of Geography (Estland), Eurofutures Finland Ab – Karis (Finnland), North-West Regional Development Agency – Cluj-Napoca (Rumänien), University of Economics – Department of Regional Studies, Prag (Tschechien), University of Szeged, Department of Social and Economic Geography (Ungarn), Verband Deutscher Gründungsinitiativen – Berlin (Deutschland)

Ungeachtet aller Maßnahmen der bisherigen EU-Regionalpolitik zur Verringerung der wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Unterschiede lassen sich derzeit überall in Europa in unterschiedlichem Ausmaß neue regionale Disparitäten erkennen. Vor diesem Hintergrund hat sich das Initial Training Network „Socio-economic and Political Responses to Regional Polarisation in Central and Eastern Europe – RegPol²“ die Aufgabe gestellt, die gegensätzliche Entwicklung von wirtschaftlich dynamischen Ballungszentren und stagnierenden Peripherregionen in einem internationalen Graduiertenkolleg zu untersuchen. Im Gegensatz zu bisherigen, meist quantitativen und regional begrenzten Studien werden in RegPol² vorherrschende Diskurse in den europäischen, nationalen und regionalen Politiken sowie die Überschneidungen von Zentrum-Peripherie-Beziehungen auf regionaler, nationaler, europäischer und globaler Ebene mit in Betracht gezogen.

Im Rahmen eines Teilprojektes von RegPol² beschäftigt sich Melinda Mihály mit sozialökonomischen Initiativen in ländlich-peripheren Räumen in Deutschland und Ungarn. Dabei untersucht sie in einem qualitativen Fallstudiendesign, in welcher Weise entsprechende Initiativen einen Beitrag zur räumlichen Entwicklung leisten. Ihr besonderes Interesse gilt hierbei, wie die Gründungsakteure die Herausforderungen vor Ort definieren, welche Strategien sie zur Umsetzung ihrer Ziele implementieren und welche Ressourcen sie hierfür mobilisieren. Um neben den Gründungsakteuren auch die Perspektive der Zielgruppe besser verstehen zu können, hat Melinda bei ihren Fallstudieninitiativen eine Woche vor Ort teilnehmende Beobachtungen durchgeführt.

Gemeinsam mit weiteren ungarischen WissenschaftlerInnen veröffentlichte Melinda Mihály einen Überblick über Social Enterprise in Hungary.

Mehr Informationen über Regpol² sowie zum Teilprojekt von Melinda Mihály sind auf der Projektwebseite zu finden.


Promotionsprojekt – Stefan Haunstein: Bürgerschaftlich getragene Läden der Nahversorgung in ländlich-peripheren Räumen Deutschlands

Förderung:  Promotionsstipendium Heinrich-Böll-Stiftung im Cluster Transformationsforschung

In den vergangenen Jahren haben verschiedene Ansätze sozialen/ solidarischen Wirtschaftens an Bedeutung gewonnen, welche unter Begriffen wie Social Economy, Solidarity Economy, Social Entrepreneurship, Gemeinwesenökonomie oder auch Sozialunternehmen verhandelt werden. Dabei besteht häufig die Annahme, dass nicht zuletzt die vielschichtigen Krisenerscheinungen des globalisierten Kapitalismus sowie der schrittweise Rückzug des Sozialstaats zu deren Bedeutungsgewinn beigetragen haben. So sind zahlreiche Unternehmen entstanden, die in erster Linie auf die Behebung gesellschaftlicher Missstände bzw. die Besserstellung bestimmter sozialer Gruppen abzielen und die in Bereichen agieren, in denen weder für profit-orientierte Unternehmen (mangels Gewinnerwartung) Handlungsanreize bestehen, noch die öffentliche Hand (mangels Finanzierungsspielräumen) tätig wird. Speziell in ländlich-peripheren Räumen kommen entsprechende Krisenphänomene besonders deutlich zum Tragen, wonach sich vermehrt wirtschaftliche und öffentliche Akteure aus bestimmten Bereichen (z.B. des Nahverkehrs, der Nahversorgung) zurückziehen, was eine Verstetigung sozio-ökonomischer Abwärtsspiralen zur Folge hat.

Allerdings besteht Grund zur Annahme, dass sich diese Abwärtsspiralen auch durchbrechen lassen – nämlich dann, wenn unternehmerisches Potential vor Ort aktiviert werden kann, welches nicht durch übergeordnete Kapitalinteressen geleitet wird, sondern vordergründig die Belange der ansässigen Bevölkerung im Blick hat. So bestehen zahlreiche Beispiele dafür, wie sich Menschen den Herausforderungen vor Ort stellen, indem sie den negativen Auswirkungen von Peripherisierungsprozessen mittels gemeinschaftlicher/ genossenschaftlicher Lösungsansätze entgegenwirken – und somit die wirtschaftlichen Geschicke fernab von Markt und Staat selbst in die Hand nehmen. Besonders dynamisch gestalten sich diese Entwicklungen im Bereich der Lebensmittel-Nahversorgung: So sind in den vergangenen 20 Jahren hierzulande vielerorts bürgerschaftlich getragene Läden gegründet worden, welche die Lebensmittelversorgung vor Ort wiederherstellen und zugleich einen wichtigen sozialen Kristallisationspunkt bilden.

Das Promotionsvorhaben widmet sich nun den Entstehungsprozessen solcher bürgerschaftlich getragenen Läden in ländlich-peripheren Räumen Deutschlands and forciert dabei folgende Fragestellungen:

• Wer sind die zentralen Akteure, die für die Gründung bürgerschaftlich getragener Dorfläden verantwortlich sind und auf welchen Motiven, Hoffnungen und Erwartungen beruht ihr Engagement?

• Welche Strategien kommen bei der Umsetzung der Ladenprojekte zum Tragen und welche Ressourcen werden hierfür auf lokaler Ebene und darüber hinaus mobilisiert?

• Welche Potentiale für eine integrierte sozial-räumliche Entwicklung gehen von solchen Formen bürgerschaftlicher Selbstorganisation aus und inwiefern resultieren daraus aber auch neue Abhängigkeitsverhältnisse und Zuschreibungen?

Diesen Fragen nimmt sich das Vorhaben mittels eines explorativen Fallstudiendesigns an. Weitere Informationen zum Promotionscluster Transformationsforschung der Heinrich-Böll-Stiftung sind hier zu finden.